Stolperfalle Allgemeine Geschäftsbedingungen im Schadensfall

Die Zunft der Steuerberater in unserem Land sah sich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie mit einer Vielzahl an neuen Aufgaben konfrontiert. Die Beantragung diverser Corona-Förder-Maßnahmen für ihre Klienten bestimmte in den meisten Kanzleien immer mehr den Arbeitsalltag. Aufgrund der Vielzahl der zu verarbeitenden Anträge und der sich ständig ändernden gesetzlichen Grundlagen, kam es mitunter dazu, dass ein Antrag übersehen und nicht fristgerecht eingebracht wurde. Derartige Fehler sind menschlich und aufgrund der wirklich großen Stückzahl an Anträgen, die zu einem fixen Datum abgearbeitet sein mussten, nachvollziehbar. Nachfristen gab es keine und es wurde auch sonst von den auszahlenden Stellen eine Null-Toleranz-Schiene gefahren.

War eine Frist verabsäumt, gab es keine Möglichkeit mehr, den Schaden abzuwenden.

Schadenersatzrechtlich sind derartige Schadensfälle eigentlich eine klare Angelegenheit. Eine Frist wurde versäumt und es konnte, für Steuerberaterschäden eher untypisch, in diesen Fällen auch der Schaden ganz konkret beziffert werden, da die Fördervorgaben dahingehend eindeutig waren. Wenn nun aber ein Anspruchsteller – der ganz eindeutig Anrecht auf Ersatz des Schadens hat – sich mit seiner Inanspruchnahme zu viel Zeit gelassen hat, droht die böse Überraschung bei der Schadensabwicklung, denn in den Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhandberufe (AAB) der meisten Wirtschaftstreuhandgesellschaften ist eine Haftungsbegrenzung enthalten, wonach ein Anspruch nur innerhalb von 6 Monaten ab Kenntniserlangung geltend gemacht werden kann.

Ist nun also die Inanspruchnahme der Kanzlei nach Ablauf dieser 6-Monatsfrist erfolgt, wird der Versicherer seinem Leistungsversprechen zwar nachkommen, aber nicht in dem Umfang, den der verursachende Steuerberater gerne hätte, denn in diesen Fällen wird der Versicherer Abwehrdeckung gewähren!

In diesen Fällen ist dies aber weder im Sinne des Versicherungsnehmers noch des Versicherers. Für den Versicherungsnehmer, der sich in derartigen Fällen seinem Verschulden vollumfänglich bewusst ist, ist die Abwehrdeckung das letzte was er braucht. Wer möchte schon gerne einen ohnehin durch einen Fehler der Kanzlei geschädigten Kunden mit einem ablehnenden Schreiben einer Rechtsanwaltskanzlei beglücken?

Aber auch für den Versicherer ist die Gewährung von Abwehrdeckung nicht risikolos. Schließlich ist keinesfalls gesagt, dass die Haftungsbeschränkungen, die in AGBs vereinbart werden, vor Gericht halten werden. Wenn nicht, müsste der Versicherer noch höhere Kosten in Kauf nehmen, als durch die Deckung des Primärschadens entstanden wären.

Es empfiehlt sich daher, sich um eine diplomatische Lösung zu bemühen, die im Sinne aller Beteiligten ist. Besonders berücksichtigt werden sollte dabei, inwieweit den Anspruchsteller ein Verschulden an der verspäteten Inanspruchnahme trifft.

Hoher Druck auf D&O-Versicherer

Es lastet weiterhin hoher Druck auf vielen D&O-Versicherern. Zu den Problemen aus der Vergangenheit im Bereich Schaden kommen nun durch den Krieg in der Ukraine weitere Probleme hinzu.

Prämienniveau nicht auskömmlich

Die D&O-Versicherung gilt für viele Versicherer als Verlustsparte. Dazu haben nicht zuletzt mehrere Großschäden beigetragen, insbesondere „VW-Dieselgate“. In Österreich gibt es durch den Versicherungsverband keine veröffentlichten Zahlen im Zusammenhang mit D&O. Anders stellt sich dies in Deutschland dar. Hier veröffentlicht der GDV jährlich auch Zahlen zum D&O-Versicherungsgeschäft. Die in 2021 veröffentlichten Zahlen zeigten deutlich, dass das bisherige Prämienniveau nicht auskömmlich ist. Deshalb ist in gewissen Bereichen, wie etwa der Industrie oder etwa bei Finanzinstitutionen weiterhin mit Prämienerhöhungen zu rechnen oder auch mit restriktiveren Bedingungen.

Haftungsrisiken steigen – der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation

Die Haftungsrisiken für Manager steigen deutlich. Risikotreiber ist nicht mehr allein die Corona Krise. Vielmehr kommt es zu einer sprungartigen Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Dabei spielen die steigende Inflation, ESG, Cyberrisiken und der Krieg in der Ukraine eine große Rolle. Mit dem Krieg in der Ukraine verbunden sind vor allem die Unterbrechung bislang nie hinterfragter Lieferantenketten. Diese müssen oft völlig neu konzipiert und umgesetzt werden.
Gerade Manager, deren Business stark von Rohstoffpreisen abhängt, leben sehr exponiert. Wenn nicht Rohstoffabsicherungen gegen Preissteigerungen gekauft wurden (Futures, Optionen) oder im Liefervertrag die Preissteigerungen an den Abnehmer weitergegeben werden können, können die Unternehmen gegen die Manager vorgehen, weil sie diesen eine Pflichtverletzung vorwerfen, da sie eben nicht eine entsprechende Absicherung des Rechtsgeschäftes getätigt haben.

Individuelle Risikobewertung und Besinnung auf den Kern

Das vorangegangene Beispiel zeigt, wie wichtig eine individuelle Risikobewertung in einem schwierigen Marktumfeld ist. Um Portfolios erfolgreich zu steuern, wird es nötig sein, Risiken individueller zu betrachten. Das bedeutet konkret, dass stark von Rohstofflieferungen abhängige Unternehmen in der D&O-Versicherung künftig einen höheren Risikoaufschlag für D&O-Versicherungsschutz zahlen müssen. Zudem sollte der D&O-Versicherer den Kunden auch stärker nach seinen alternativen Beschaffungsstrategien befragen, um ein abgerundetes Bild zum Risiko zu erhalten. Dazu wird es künftig nötig sein, stärker mit den Organen des Unternehmens im Underwriting-Prozess in Kontakt zu treten. Hier sollten stärker die digitalen Möglichkeiten wie etwa Videokonferenzen und andere Tools genutzt werden.
Letztlich wird es auch wichtiger werden, dass sich die D&O-Versicherer auf den Kern der D&O-Versicherung besinnen. Der Deckungsschutz gehört in Bereichen entrümpelt, die auf die Kosten drücken. Das betrifft insbesondere den Bereich Large Corporates, wo häufig die Schadenssätze sehr schlecht sind. Im Bereich der KMU wird diese Vorgangsweise nicht nötig sein.

Verknappung der Kapazitäten bei höheren Preisen

Wenn auch der Preisanstieg bei gleichzeitiger Verknappung der Kapazitäten für viele Kunden sehr unangenehm ist, so sichert dies das Überleben der Sparte. Da es sich bei der D&O-Versicherung um ein systemrelevantes Versicherungsprodukt handelt, erachte ich diesen Schritt der Versicherer als verantwortungsvoll und richtig. Gerade die benannten Risiken dürften zu weiteren Preissteigerungen in der D&O-Versicherung führen, welche aber notwendig sein werden, um die steigenden Haftungsrisiken von Managern solide abzusichern.

Stolpersteine im D&O-Versicherungsfall

Gerade das aktuelle politische und unternehmerische Umfeld stellt das Management von Unternehmen vor noch größere Herausforderungen, wenn es darum geht, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Das Haftungspotenzial des Managements steigt deutlich – viele Manager werden in Anspruch genommen – was nun?

Stolperstein Anwaltswahl

Der erste Stolperstein für einen versicherten Manager beginnt schon bei der Anwaltswahl. Selbstverständlich möchte der Manager erfahrene und renommierte Rechtsanwaltskanzleien beauftragen. Der Modus der Beauftragung ist in vielen D&O-Policen aber unbestimmt, bedarf der Zustimmung des Versicherers oder darf die Gebührenordnung nicht überschreiten. An dieser Stelle ist es wichtig, dass der Versicherte auch bedingungsgemäß individuelle Honorarvereinbarungen mit der Anwaltskanzlei vereinbaren können soll. Denn auf Organhaftung spezialisierte Kanzleien und Rechtsanwälte und ihre Ressourcen sind Mangelware und ihre Honorare liegen oft deutlich über den oft vereinbarten Gebührenordnungen. Für die versicherte Person ist es wichtig, einen auf das Spezialgebiet vertieften und erfahrenen Rechtsanwalt beauftragen zu können. Wenn der Rechtsanwalt einen entsprechenden „track record“ vorweisen kann, so wird der Versicherer auch weniger mit dem Argument der „angemessenen Stundensätze“ argumentieren können oder etwa mit „gebotenen Kosten“.

Stolperstein Auskunftspflicht der versicherten Person

Einen weiteren Stolperstein stellt die Auskunftspflicht dar. Denn der Manager will sich gegen die Inanspruchnahme verteidigen. Dazu bedarf es natürlich der Dokumente und Unterlagen des Ex-Arbeitgebers. Oft jedoch erhält der ehemalige Manager keine Unterlagen mehr. Denn der Ex-Arbeitsgeber beruft sich auf Geschäftsgeheimnisse oder etwa auf die Verschwiegenheitspflicht. Deshalb ist es notwendig, dass in diesen Fällen der Versicherer das Unternehmen auffordert, die notwendigen Unterlagen bereit zu stellen und herauszugeben. Nicht selten droht der Versicherer in dieser Phase mit Leistungsfreiheit aufgrund einer vorliegenden Auskunftspflichtverletzung.

Oftmals, um den Schadenersatzanspruch gegen einen Manager durchsetzen zu können erhebt der Ex-Arbeitgeber vor Gericht schwere Vorwürfe gegen den Manager. Häufig wird der Prozess gegen den Manager auf diese Weise gewonnen. Die Situation für den Manager spitzt sich dann noch mehr zu, wenn nun der Versicherer den Ausschluss der „wissentlichen Pflichtverletzung“ einwendet. Dann nämlich muss der Manager nun im Deckungsstreit zunächst die Vorwürfe aus dem Haftungsverfahren entkräften.

Neue Ausschlüsse und zahlreiche Obliegenheiten

Weitere Problemfelder können weitere Obliegenheitsverletzungen darstellen oder etwa neue Ausschlüsse wie Pandemie oder Cyberrisiken; aber auch alt bekannte Ausschlüsse wie der Insolvenzausschluss oder der Ausschluss wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung von Versicherungsgeschäft können ein Deckungshindernis darstellen. Abgesehen davon sollten die verantwortlichen Organe auch einen stärkeren Fokus auf Gefahrerhöhungen legen, welche dem Versicherer angezeigt werden müssen.

Tipps für den Manager

Schon vor dem Schadensfall sollte sich ein Manager D&O-Versicherungsschutz auf einem hohen Niveau durch eine sogenannte Verschaffungsklausel zusichern lassen; dabei sollten Versicherungssumme und eine lange, unverfallbare Nachmeldefrist eine bedeutende Rolle spielen. Die Versicherungspolice muss jedenfalls in Kopie vom Manager verwahrt werden. Zuvor muss ein Check der Police stattfinden. Um die Beweislast vor Gericht zu erleichtern ist es von essentieller Bedeutung, dass der Manager wichtige Dokumente stets persönlich archiviert. Zudem empfehlen wir auch potentiell gefahrerhöhende Umstände wie etwa größere Transaktionen, Expansionen, den Aufbau neuer Märkte und Geschäftsfelder dem Versicherer anzuzeigen, sodass der Versicherer im Schadensfall nicht den Einwand einer Gefahrerhöhung geltend machen kann.

Chubb stellt D&O-Geschäft ein – was tut sich sonst in D&O?

Es ist nun amtlich. Der Industrieversicherer Chubb zieht sich aus dem Geschäft mit D&O-Versicherungen für Gewerbe- und Industriekunden in Österreich und in Deutschland zurück. Weiterhin betrieben wird das Geschäft mit Financial Institutiones, also mit Banken, Versicherern und Fondsgesellschaften. Denn in diesen Segmenten war der Versicherer seit jeher stark und das Prämienniveau bei Financial Institutiones ist wesentlich attraktiver als bei Kunden im Bereich Commercials.

Mögliche Gründe für den Ausstieg

Der unerwartete Rückzug von Chubb bedeutet für deren Kunden, dass sie sich nach einem neuen Versicherer umsehen müssen. Denn seit dem ersten Mai werden Verträge gekündigt. Die Hintergründe des überraschenden Rückzuges sind unklar, dürften aber mit den Schadensbelastungen des Versicherers zu tun haben und mit dem negativen Ausblick hinsichtlich der Prämienerwartung. Bezüglich der Schäden darf nicht vergessen werden, dass Chubb in teure Schäden verwickelt war, wie etwa im Zusammenhang mit dem Dieselskandal. Zudem kam es durch das Oberlandesgericht Hamm zu einer überraschenden Entscheidung, die für Aufsehen sorgte. Denn es hält die Ansprüche des Insolvenzverwalters des pleitegegangenen Touristikkonzerns Arcandor gegen ehemalige Aufsichtsratsmitglieder von bis zu 54 Millionen Euro für gerechtfertigt. Es ist wohl davon auszugehen, dass auch in diesem Fall die D&O-Versicherer zur Kasse gebeten werden.

Auch der Wirecard-Skandal dürfte Chubb treffen. Denn Chubb ist der führende D&O-Versicherer des mehr als 100 Millionen schweren D&O-Programms. Das OLG Frankfurt hat nämlich entschieden, dass die Versicherer vorab für die Kosten aufzukommen haben, die für die Abwehr von Schadenersatzansprüchen für den ehemaligen CEO Markus Braun anfallen. Zudem haben ihm die Versicherer vorläufig Versicherungsschutz für die PR-Kosten zu gewähren.

Ungemach durch starke Rohstoffpreisänderungen

Ungemach droht derzeit den versicherten Organen aus Branchen, welche stark von Rohstoffpreisen abhängig sind. Besonders betroffen ist das Management von Unternehmen, welche in ihren Produkten Metalle und Öl verarbeiten und welche die Rohstoffpreise nicht abgesichert haben aber selbst zu fixen Preisen an Kunden liefern müssen. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen Lieferverpflichtungen nachkommen müssen ohne dass sie die Möglichkeit besitzen Preiserhöhungen an Kunden weiterzugeben. Dies führt bei zahlreichen Lieferunternehmen zu Verlusten, die oft im Bereich mehrerer Millionen Euro liegen. Freilich versuchen Unternehmen diese Verluste nicht selbst tragen zu müssen. Deshalb nehmen die Gesellschafter vieler Unternehmen jetzt ihr Management in Anspruch, wenn sie nicht dafür Vorsorge getroffen haben, den Einkauf von Rohstoffen durch Derivate abzusichern oder keine Preisänderungsklauseln zu Gunsten der Lieferanten abgeschlossen haben.

Bei diesen Vorwürfen (keine Preisänderungsklausel, keine Rohstoffabsicherung) kann es sich auch um Pflichtverletzungen des Managements handeln, die Gegenstand einer D&O-Versicherung sind. Gerade in den letzten Monaten haben uns dazu gleich mehrere Schadensmeldungen erreicht. Man darf gespannt sein, wie die Gerichte diese Fälle beurteilen. Wir rechnen in der D&O-Versicherung gerade im Segment von rohstoffabhängigen Lieferunternehmen weiterhin mit einer steigenden Schadenslast.